von Ulrich Coppel
17.11.2020. Addis Abeba/ Asmara/ Mekkele. Am Abend des 14. November 2020 erschütterten heftige Explosionen, verursacht durch einen Raketenangriff der Tigray People´s Liberation Front (TPLF) Eritreas Hauptstadt Asmara. Zuvor kündigte ein TPLF-Sprecher in sozialen Medien Angriffe auf eritreische Ziele an. Dies ist der vorläufige Höhepunkt eines sich in den vergangenen zwei Wochen dramatisch zuspitzenden Konflikts zwischen TPLF und der äthiopischen Regierung um Premierminister Abiy Ahmed.
Mit seinen rund 110 Millionen Einwohnern ist Äthiopien ein multiethnischer, und multireligiöser Staat. Unter den 80 Ethnien umfassen die im Norden des Landes, an der Grenze zu Eritrea und dem Sudan beheimateten Tigray einen Anteil von rund 6 Prozent an der Gesamtbevölkerung Äthiopiens. Obschon die Tigray gegenüber einzelnen anderen in Äthiopien beheimateten Ethnien verhältnismäßig klein sind, kontrollierte deren politischer Arm in Äthiopien, die TPLF, nach dem Sturz des DERG-Regimes, zwischen 1991 und 2018 die nationale äthiopische Regierungskoalition Ethiopian People´s Revolucionary Democratic Front (EPRDF) durchgängig. Die EPRDF-Koalition bestand aus einer multiethnisch besetzten, vier Parteien umfassenden Allianz: Der Demokratischen Organisation des Oromovolkes in Oromia (OPDO), der National-Demokratischen Bewegung der Amharen in Amhara (ANDM) , der Demokratischen Front der Südäthiopischen Völker in der Region der südlichen Länder Nationen, Nationalitäten und Völker (SEPDF), und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), und wurde durch ein Zentralkomitee geführt. Die TPLF konnte sich, an der Spitze der Regierung, trotz immer wieder, teils massiver internationaler Vorwürfe über Korruption und Menschenrechtsverletzungen, durchgängig in dieser Zeit auf die Unterstützung westlicher Staaten verlassen. Die TPLF genoss die Gunst des Westens, war sie doch deren Garant zur Wahrung ihrer Interessen, weit über die Landesgrenzen Äthiopiens hinaus.
Doch nachdem 2015 Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, reevaluierten die USA – wie auch zu zahlreichen anderen Ländern – ihre Beziehungen zu Äthiopien. In Folge dieses Prozesses kam es zu weitreichenden Änderungen und Einschnitten in den Beziehungen der Regierungen beider Länder. Aber auch inneräthiopische Spannungen nahmen zu. Manche Ethnien wurden benachteiligt. Mit der Zeit wurden tausende Oppositionelle verfolgt, inhaftiert, verschleppt, oder hingerichtet. So erodierte der ursprünglich, vor allem durch den Sturz des brutalen DERG/ Mengistu Regime begründete, starke innere Rückhalt für die TPLF in Äthiopien allmählich.
Von 2015/ 2016 an keimten verstärkt, vor allem von Seiten der in Äthiopien bevölkerungsstärksten, vornehmlich sunnitischen-islamisch geprägten Ethnie, der Oromo, anhaltende Proteste: Junge Oromo sammelten sich in einer Bewegung, den Queerro, die dann bald schon zu einer Massenbewegung wurde. Die Queerro-Protestwelle mündete schließlich, Anfang 2018, in den Zerfall der durch die TPLF kontrollierten äthiopischen EPRDF-Koalition.
Aus dem sich daraus ergebenden Machtvakuum ging schließlich Abiy Ahmed, ein Oromo, als neuer Premierminister einer neuen EPRDF-Übergangregierung hervor. Abiy Ahmed wurde in geheimer Wahl der Koalitionäre gewählt, und am 2. April 2018 in sein Amt als Ministerpräsident eingesetzt. Zudem wurde er – kurz vor der Wahl zum Ministerpräsidenten – auch Vorsitzender der neuen EPRDF-Koalition. Doch in dieser Koalition gab es eine entscheidende Neuerung: Die TPLF gehörte ihr, und damit der Regierung Äthiopiens – im Gegensatz zu sämtlichen früheren Koalitionsparteien – nicht mehr an.
Sensation perfekt: Der Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea im Sommer 2018
Aussenpolitisch machten im Frühjahr 2018, sehr bald schon nach Abiy Ahmeds Amtsantritt, intensive Friedensgespräche weltweit Schlagzeilen. Nach Jahrzehnten der Feindseligkeiten und zum Teil kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der zuvor von der TPLF dominierten äthiopischen Regierung, und der in Eritrea unter Präsident Isayas Afewerki regierenden dortigen People´s Front for Democracy and Justice (PFDJ), war ein Neuanfang, und große Hoffnung spürbar. Schließlich wurde im Juni 2018 die Sensation perfekt: Äthiopien und das benachbarte Eritrea schlossen nach 3 Jahrzehnten der Kriege und Feindseligkeiten, einen historischen Friedens- und Freundschaftsvertrag. Hunderttausende Äthiopier und Eritreer feierten die Regierungschefs beider Länder in den Hauptstädten Asmara/ Eritrea und Addis Abeba/ Äthiopien. Die internationale Gemeinschaft ehrte Abiy Ahmed im November 2019 insbesondere für den Friedensschluss mit Eritrea mit dem Friedensnobelpreis. Bezeichnenderweise wurde Eritreas Präsident Afewerki jedoch die gleiche Ehre nicht zuteil.
Reformen auch im Inneren
Auch Im Inneren Äthiopiens trieb Abiy Ahmed einen rasanten Reformprozess voran. So amnestierte die neue Regierung Äthiopiens sehr bald tausende politischer Gefangener. Viele Oppositionelle, darunter der in Äthiopien geborene US-Amerikaner Jawar Mohammed, der zuvor von den USA aus ein gewaltiges Medienunternehmen, das Oromo Media Network (OMN) mit aufgebaut und geführt hatte, kehrten aus dem Exil zurück in ihre äthiopische Heimat. Mit diesem Medienkonzern, und über riesige Plattformen in sozialen Netzwerken, war Mohammed einer der Wortführer und Spindoctors bei den Protesten der Queerro, die zum Sturz der TPLF-dominierten Regierungskoalition führten.
Zur gleichen Zeit fusionierten sämtliche der „neuen“ EPRDF-Koalitionäre – (also ohne die TPLF) – in eine, formal am 1.12.2019 neugegründete Partei. mit dem Namen Prosperity Party: Die EPRDF wurde aufgelöst. Abiy Ahmed wurde deren erster Vorsitzender. Somit wuchs aus einer multiethnischen Allianz eine gemeinsame Partei zusammen. Damit war nach Jahrzehnten einer formal stark multiethnisch-föderal, bzw. dezentral ausgerichteten inneren Ordnung, ein weithin sichtbarer Neuanfang in Richtung mehr zentraler innerer Einheit vollzogen.
Unterdessen zog sich die TPLF in ihr heimatliches, im Norden Äthiopiens, an der Grenze zu Sudan und Eritrea gelegenes Bundesland Tigray zurück. Dort übte sie weiterhin die Regierung, forthin in Opposition zur nationalen Regierung, aus.
Um den begonnenen Reformkurs mit einer demokratisch legitimierten nationalen Regierung fortzusetzen zu können, rief Ministerpräsident Abiy Ahmed für August 2020 nationale Parlamentswahlen aus. Auch das Amt des Ministerpräsidenten sollte mit einem robusten demokratischen Mandat versehen werden.
Für den sich bereits im Herbst 2019 abzeichnenden Wahlkampf gab, neben Abiy Ahmed, der nunmehr von innerhalb Äthiopiens agierende Jawar Mohamed seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten bekannt. Somit wurde aus dem Unterstützer des Reformers Abiys sein größter Konkurrent für das Amt des Ministerpräsidenten.
Im Oktober 2019 berichtete Jawar Mohammed in einem Facebook-Post, dass Angehörige der Polizei spät in der Nacht versucht hätten, seine Sicherheitskräfte zu zwingen, das Gelände seines Hauses in Addis Abeba zu räumen. Er behauptete, dass diese geplant hätten anschließend einen Mob mobilisieren wollten, und deutete an, dass Ministerpräsident Abiy Ahmed dies angeordnet hätte. Tags zuvor hielt Abiy eine Rede vor dem Parlament, in der er „Medienbesitzer, die keine äthiopischen Pässe haben“ beschuldigte, „in beide Richtungen zu spielen“. Dem fügte er hinzu: „Wenn dies den Frieden und die Existenz Äthiopiens untergraben wird, … werden wir Maßnahmen ergreifen.“ Jawar Mohammeds Facebook-Post löste massive gewalttätige Auseinandersetzungen, ausgehend von den Qeerroo aus. Die Zahl der Opfer bezifferte Abiy Ahmed später auf 86, darunter auch zahlreiche Polizeibeamte. Nach dem Ende der so ausgelösten, wochenlangen Zusammenstöße erklärte er, dass die meisten Opfer Oromo und Amharen seien: Musilme genau wie Christen.
Jawar Mohammed begehrt seit seiner Kandidatur eine durch die Oromo dominierte nationale Regierung. In einem Interview benannte er in Anspielung auf das bekannte Zitat Donald Trumps seine politische Ausrichtung: „Oromia first“. Diese begründet er damit, dass die Ethnie der Oromo die größte in Äthiopien sei. Zwar ist das korrekt, doch erstens stellen die Oromo mit offiziell 34,5 % Anteil keine ethnisch-definierte, absolute Mehrheit an der Gesamtbevölkerung Äthiopiens dar, und zweitens gibt es unter den Oromo auch ideologisch anders als die Queero ausgerichtete Organisationen. Es gibt die in der Prosperity Party organisierten Oromo, die hinter Abiy Ahmeds vergleichsweise eher zentralistisch, und ethnisch/ religiös gleichberechtigt ausgerichteter Politik stehen. Und es gibt weitere, Oromo-ethnisch geprägte Parteien und Bewegungen. So gibt es die die seit Langem bestehende Oromo Liberation Front (OLF), deren Mitglieder in Zeiten der TPLF-dominierten äthiopischen Regierung verfolgt, inhaftiert, oder ins Exil gedrängt waren. Auch sie zählten zu den durch Äthiopiens Übergangsregelung Amnestieren. Viele von ihnen kehrten aus Eritrea und anderen Ländern zurück nach Äthiopien, und drängen nun auf einen durch Oromo geführten Staat mit dem Namen Oromia. Doch die Anzahl der OLF-Mitglieder oder Sympathisanten ist im Vergleich zu anderen Oromo-Gruppierungen oder Parteien gering. Zumal die OLF jedoch ihre Ziele auch mit Gewalt und Terror – auch ausserhalb von Äthiopien – verfolgt, geht von ihr eine Bedrohung aus.
COVID-19 in Äthiopien: Wahlen verschoben
Wegen der Corona-Epidemie verschob die äthiopische Regierung bereits im März 2020 die für August 2020 terminierten nationalen Wahlen auf eine (zunächst noch unbestimmte) Zeit nach der Epidemie. Es wurden Gesetze erlassen, die das eigentlich Ende September 2020 endende Mandat der Übergangsregierung um Abiy Ahmed weiterhin legitimieren sollen. Doch das provozierte weitere Unruhen. So werden der OLF nahestehende Terroristen für das tödliche Attentat auf Hachalu Hundessa, einen sehr populären Oromo-Sänger und Queerro-Aktivisten, am 29. Juni 2020 in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba, verantwortlich gemacht. Hundessa hatte in einem Oromo Media Network – Fernsehinterview eine Woche zuvor berichtet, dass er bedroht würde. Nach dem Attentat gab es massive Ausschreitungen mit insgesamt 167 Toten, darunter auch zahlreiche Sicherheitskräfte. Als Hundessas Leichnam auf Wunsch seiner Familie zur Beerdigung in sein knapp 100 km von Addis Abeba gelegenes Heimatdorf überführt werden sollte, versuchten Jawar Mohammed und einige bewaffnete Begleiter den Konvoi zu stoppen, um Hundessa in Addis Abeba zu beerdigen. Jawar Mohammed und zahlreiche Begleiter wurden festgenommen, und sitzen seitdem in Haft.
Die innere Krise in Äthiopien verschärft sich
Die Verschiebung der Wahlen wollte die TPLF nicht akzeptieren, und rief ihrerseits für den 9. September 2020 Wahlen in der Tigray-Region aus, welche die TPLF mit 98,2 Prozent gewann. Diese Wahl bezeichnen Abiy Ahmed und die nationale Regierung Äthiopiens jedoch als illegal, und erkennen die Wahl nicht an. Die nationale Regierung erkennt den im September 2020 errungenen, und allseits erwarteten Wahlsieg der TPLF nicht an. Wiederum erkennt die TPLF die Verlängerung des Übergangsmandats sowohl der nationalen Regierung, als auch Abiy Ahmed im Amt des Ministerpräsidenten nicht an, und bezeichnet beides als illegal.
TPLF greift äthiopisches Militärcamp an
Schließlich griff die TPLF in der Tigray-Region einen Tag nach dem Tag der Stimmabgabe bei den Präsidentschaftswahlen in den USA, am 4. November 2020 ein Militärcamp der nationalen Streitkräfte Äthiopiens, das in der Tigrayregion liegt, an. Sowohl Abiy Ahmed, als auch ein Tigray Sprecher bestätigten dies in ihren Stellungnahmen am Tag des Angriffs. Abiy Ahmed erklärte, dass die TPLF damit „eine letzte rote Linie überschritten“ (habe), und kündigte Militärschläge gegen die TPLF an.
Truppenverschiebungen hinterlassen Vakuum: Genozide beginnen
Seit dem 4. November 2020 befindet sich nun äthiopisches Militär mit TPLF-Rebellen in der Tigray Region in Äthiopien in schweren militärischen Auseinandersetzungen. Dazu verlegt die nationale Regierung äthiopisches Militär mit schweren Waffen in die Tigray Region. Doch es gibt in vielen Teilen Äthiopiens Orte, in denen Angehörige ethnischer Minderheiten leben, welche durch äthiopisches Militär und Sicherheitskräfte besonders vor Übergriffen geschützt werden. Wenn von dort Sicherheitskräfte abgezogen werden, sind diese Minderheiten schutzlos. Und genau das geschieht.
Am 1. November richteten radikale Oromo bereits sehr kurz nach einem unerwarteten, und unangekündigten Rückzug von äthiopischen Sicherheitskräften aus Dorf Gawa Qanqa im Guliso Bezirk in der West Wellega Zone der Oromo Region, an dort lebenden Amharen ein Blutbad an. Sie trieben jeden, der sich nicht rechtzeitig zuvor in Sicherheit bringen konnte, darunter zahlreiche alte Menschen, Frauen und Kinder, in einen Schulhof zusammen, und erschossen sie. Insgesamt soll es bei diesem Genozid 54 Tote gegeben haben, wie zahlreiche Medien berichten.
Auch aus dem mit Äthiopien östlich benachbarten Somalia, in dem seit dem dortigen Bürgerkrieg tausende äthiopische Sicherheitskräfte stationiert sind, verlegt die äthiopische nationale Regierung Truppen in die Tigray-Region. Medienberichten zufolge hat auch US-Präsident Trump angekündigt US-Streitkräfte aus Somalia abziehen zu wollen. Jedoch gibt es auch tausende Sicherheitskräfte der Afrikanischen Union (AU) in Somalia.
Kenia ist überfordert mit Somalischen Geflüchteten
Die islamistische Terrororganisation Al-Shabaab kontrolliert bereits seit Jahren weite Teile Somalias. Dort gilt die Sharia. Hunderttausende Somalis sind vor den Al-Shabaab Milizen und marodierenden Gruppen nach Kenia geflohen, wo sie zumeist in zu den größten der Welt zählenden Flüchtlingslagern leben. Kenia zählt zu den Ländern mit den meisten geflüchteten Menschen in Afrika, und steht damit, auch nach eigenen Aussagen, am Rande der völligen Überforderung.
Aus der äthiopischen Tigray-Region fliehen derzeit bereits zehntausende Zivilisten vor den anhaltenden Kämpfen in den im Westen benachbarten Sudan. Der Sudan hat inzwischen, genau wie das nördlich gelegene Eritrea, seine Grenzen zur äthiopischen Tigray-Region aus Sicherheitsgründen geschlossen. Doch die Kontrolle der langen Grenze gestaltet sich schwierig.
In den Sudan geflüchtete Tigray berichten von Massakern in der Tigray-Region. So geschah in dem südwestlich in der Tigray-Region gelegenen Dorf Mai-Kadra, nach dem Ausbruch der Kämpfe im November 2020, ein Massaker. Hunderte Zivilisten sollen dabei mit Messern und Macheten getötet worden sein. Ministerpräsident Abiy Ahmed erklärte inzwischen, dass May Kara von äthiopischen Regierungstruppen kontrolliert würde, und erklärte auch, dass Äthiopien die in den den Sudan geflohenen Tigray-Zivilisten wieder aufnehmen, und ihnen Schutz gewähren wolle.
Regional-Präsident für abgesetzt erklärt
Das äthiopische Parlament erklärte am 11.11.2020 Tigrays Präsident Debretsion Gebremichael für abgesetzt, und ernannte den bisherigen Wissenschaftsminister Mulu Nega als dessen Nachfolger. Debretsion Gebremicaels Immunität, und die zahlreicher TPLF Abgeordneter sei aufgehoben worden. Sie würden später vor Gericht gestellt, so offizielle Regierungsangaben.
Während der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed seit dem Beginn der militärischen Auseinandersetzungen mit der TPLF immer wieder betont, dass die militärische Intervention in der Tigray-Region eine innere äthiopische Angelegenheit, und von begrenzter Dauer sei, befürchten internationale Beobachter, dass eine ganz erheblich weiterreichende Eskalation der Lage durchaus möglich sei. Dies ist in der militärischen Auseinandersetzung mit der nationalen Regierung das Ziel der weitgehend im inneren, und unter den Nachbarn Äthiopiens isoliert dastehenden TPLF.
Eritreas Aussenminister Osman Saleh betonte in einem Telefon-interview mit der Nachrichtenagentur REUTERS am 09.11.2020 zum Konflikt : “This is an internal conflict. We are not part of the conflict.” („Das ist ein innerer Konflikt. Wir sind kein Teil des Konflikts.“)
TPLF-Raketenangriff auf Eritrea
Am 13. November 2020 feuerten TPLF-Milizen Raketen auf die Flughäfen in Gondar und Bahir Darin der südlich der Tigray Region gelegenen Nachbarregion Amhara ab. Am selben Abend schlugen TPLF-Raketen in der Nähe des Flughafens in Eritreas Hauptstadt Asmara ein. Diese seien auf freiem Feld niedergegangen, und es habe keine Toten, Verletzten, oder nennenswerte Sachschäden gegeben, war Berichten von Zeugen vor Ort zu entnehmen. Auch zu diesen Angriffen bekannte sich die TPLF. Sie unterstellt der eritreischen Regierung, dass sie die militärische Intervention Abiy Ahmeds unterstützen würde. Dafür gibt es bislang keine unabhängige Bestätigung, oder Beweise. Die Raketenangriffe auf die Flughäfen in Gondar und Bahir Dar begründete Tigrays abgesetzter Präsident Debretsion Gebremicael damit, dass von dort angeblich Angriffe der äthiopischen Streitkräfte gestartet würden.
Viele Länder des Westens, allen voran die USA verurteilten den TPLF-Raketenangriff auf Asmara „auf das Schärfste.“ Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland gab am 16.11.2020 eine gleichlautende Regierungserklärung ab.
Schwere Waffen und unwegsames Gelände
Die TPLF verfügt, genau wie auch das äthiopische Militär, über zahlreiche schwere Waffen. Die Tigray-Region besteht zum Teil aus hohem Gebirge, mit unwegsamen Terrain. Dorthin könnten sich TPLF-Kämpfer zurückziehen, und dort liegen auch die Waffenlager der TPLF, die ihren Ursprung, noch vor ihrer Gründung, im Guerilla-Kampf gegen das erheblich höher gerüstete DERG-Regime hatte. Insofern verfügt die TPLF über große Erfahrungen im führen asymmetrischer Kriege.
Zudem ergibt sich ein anderes Problem aus dem eskalierenden Konflikt: Zahlreiche Schlüsselpositionen innerhalb der äthiopischen Streitkräfte sind mit Angehörigen der TPLF besetzt. Die äthiopische Regierung hat deshalb inzwischen eine personelle Umorganisation innerhalb ihrer Streitkräfte angeordnet, bzw. begonnen. Infolge dessen sollen Berichten zu Folge TPLF-Angehörige der äthiopischen Streitkräfte ins benachbarte Djibouti geflohen sein.
TPLF in internationalen Schlüsselpositionen
Aber auch international spielt die TPLF nach wie vor eine Rolle: Aufgrund ihrer jahrzehntelangen Führung der Regierungsgeschäfte in Äthiopiens nationaler Regierung, verfügt die TPLF über suffiziente internationale Kontakte. Auch sind nach wie vor manche international wichtigen Schlüsselpositionen mit TPLF-Funktionären besetzt. So bekleidet etwa der ehemalige äthiopische Gesundheits- und im Folgenden auch Aussenminister, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus seit Juli 2017 das Amt des Generalsekretärs der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
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